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Autor: katharina summerer

Erschütterung des Beweiswerts von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen

Grundsätzlich genießt eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung einen hohen Beweiswert im Arbeitsrecht – insbesondere in der richterlichen Würdigung wie z. B. in einem Kündigungsschutzprozess. Die bedeutet, dass mit der Ausstellung einer ordnungsgemäßen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AUB) eine tatsächliche Vermutung besteht, dass der jeweilige Mitarbeiter infolge Krankheit arbeitsunfähig war.

Deren Beweiswert kann der Arbeitgeber allerdings erschüttern, wenn er tatsächliche Umstände darlegt und ggf. beweist, die nach einer Gesamtbetrachtung Anlass zu ernsthaften Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers geben. Allerdings ist dies in der Praxis meist sehr schwierig.

Dabei stellt sich jedoch v.a. bei sog. „passgenauen AUB“, also z. B. AUB die unmittelbar nach Ausspruch einer Kündigung den Zeitraum der Kündigungsfrist abdecken, für Arbeitgeber oftmals die Frage, ob tatsächliche eine Arbeitsunfähigkeit vorlag.

Das Bundesarbeitsgericht hat nunmehr entschieden, dass der Beweiswert von (Folge-)Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen erschüttert sein kann, wenn der arbeitsunfähige Arbeitnehmer nach Zugang der Kündigung eine oder mehrere Folgebescheinigungen vorlegt, die passgenau die Dauer der Kündigungsfrist umfassen, und er unmittelbar nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine neue Beschäftigung aufnimmt.

Der Arbeitgeber hatte in diesem Fall die Entgeltfortzahlung zurecht verweigert. Arbeitgeber sollten in derartig gelagerten Fällen also einen Anspruch ihrer Mitarbeiter auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall im Zweifel arbeitsrechtlich überprüfen lassen.

Quelle: Pressemitteilung vom 13.12.2023 des Bundesarbeitsgerichts (Nr. 45/23)

Ist ein sogenannter „Pool-Arzt“ im vertrags(zahn)ärztlichen Notdienst abhängig beschäftigt und sozialversicherungspflichtig?

Über diese Frage hat das Bundessozialgericht am 24. Oktober 2023 verhandelt. Im Ergebnis hat das Gericht im konkreten Fall eine solche abhängige sozialversicherungspflichtige Beschäftigung bejaht. Letztlich kommt es dabei, wie so oft, auf die Umstände des Einzelfalls an.

Bei einem Pool-Arzt handelt es sich um einen (Zahn-)Arzt, der ohne Zulassung zur vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung in dem von der kassen(zahn)ärztlichen Vereinigung organisierten Notdienst tätig und nach festem Stundensatz vergütet wird.

Im konkreten Verfahren ging es um einen Zahnarzt der seine Tätigkeit wie eingangs beschrieben ausgeübt hat. Diese Tätigkeit fand in von der kassenzahnärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg angemieteten Räumen sowohl zusammen mit zugelassenen als auch nicht zugelassenen Zahnärzten statt. Der Kläger teilte der KZV-BW seine Bereitschaft zur Übernahme konkreter Schichten mit, woraufhin er von dieser zu konkreten Schichten eingeteilt wurde. Neben dem Kläger waren regelmäßig während seiner vergüteten Arbeitszeit zwei zahnmedizinische Fachangestellte für Assistenz- und Dokumentationstätigkeiten anwesend.

Nach Auffassung des Bundessozialgerichts war der Kläger in einer seine Tätigkeit prägenden Weise in die Abläufe und Organisation der KZV-BW eingegliedert. Die KZV-BW mietete die Räumlichkeiten an und sorgte für die personelle und materielle Ausstattung. Auf diese Ausstattung war der Kläger angewiesen. Dem Kläger war auch nicht das Recht eingeräumt, nach seinem Ermessen eine (qualifizierte) Vertretung zu organisieren. Vielmehr konnte er nur mit einem anderen, am Notdienst im jeweiligen Quartal teilnehmenden Zahnarzt eine Schicht tauschen. Unternehmerischer Spielraum ergibt sich daraus nicht. Vielmehr erweist sich seine Tätigkeit – abgesehen vom Kernbereich der medizinischen Behandlung – als fremdbestimmt.

Auch war der Kläger nicht einem nennenswerten Unternehmerrisiko ausgesetzt. Er erhielt einen festen Lohn für geleistete Einsatzstunden und hatte keinen Verdienstausfall zu befürchten.

Besonderheiten des Vertrags(zahn)arztrechts rechtfertigen keine abweichende Entscheidung. Auch für Tätigkeiten im ärztlichen Notdienst bestimmt sich der sozialversicherungsrechtliche Status nach den Gesamtumständen des Einzelfalls. Ungeachtet dessen war der Kläger nach seinen Vereinbarungen mit der Beigeladenen nicht berechtigt, die von ihm im Notdienst erbrachten Leistungen individuell abzurechnen. Er erhielt eine feste Stundenvergütung und war daher nicht – wie ein regelmäßig selbstständiger Vertragszahnarzt – in die Strukturen des Vertragsarztsystems einbezogen.

Quelle: Terminbericht Nr. 43/23 vom 25.10.2023, Bundessozialgericht Kassel-Pressestelle

Neuer (allgemeiner) Mindestlohn und neue Mindestausbildungsvergütung seit dem 1. Januar 2024:

a) Seit dem 1. Januar 2024 gilt ein neuer allgemeiner Mindestlohn in Höhe von 12,41 € brutto pro Stunde anstatt wie bislang 12,00 € brutto. Im Rahmen einer 40-Stunden-Woche ergäbe sich somit ein monatlicher Bruttolohn von ca. 2.150,00 €. Der Mindestlohn soll sich zum 1. Januar 2025 weiter auf dann 12,81 € pro Stunde erhöhen.

Der Mindestlohn gilt grundsätzlich für alle Arbeitnehmer in Deutschland. Ausgenommen davon sind u. a. Jugendliche unter 18, Auszubildende, Pflichtpraktikanten, Freiberufler, Selbständige, ehrenamtlich Tätige sowie Langzeitarbeitslose für 6 Monate.

Der gesetzliche Mindestlohn gilt dabei unabhängig von Arbeitszeit oder Umfang der Beschäftigung – und damit auch für Minijobber. Er ist ein Bruttostundenlohn. Damit bei Minijobbern auch über den 31. Dezember 2023 hinaus eine Wochenarbeitszeit von zehn Stunden möglich ist, steigt die Minijob-Grenze jeweils mit der Erhöhung des Mindestlohns. So wird sichergestellt, dass bei einer gesetzlichen Erhöhung des Mindestlohnes die Arbeitszeit nicht gekürzt werden muss. Eine Anpassung bestehender Arbeitsverträge für die sog. Minijobber welche den jeweiligen Mindestlohn vergütet erhalten ist somit nicht erforderlich.

Ab 1. Januar 2024 beträgt die Minijob-Grenze 538,00 €. Zum 1. Januar 2025 soll sie auf 556,00 € ansteigen. Bis zum 31. Dezember 2023 lag die Minijob-Grenze bei 520 €.

Bei einem Verstoß gegen die Pflicht zur Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns drohen dem Arbeitgeber Geldbußen.

b) Für Auszubildende gilt wie bereits erwähnt der Mindestlohn nicht. Jedoch gilt für Auszubildende ab dem 1. Januar 2024 ebenfalls eine neue erhöhte Mindestausbildungsvergütung nach § 17 BBiG.

Auszubildende die im Jahr 2024 mit einer Ausbildung beginnen müssen im 1. Ausbildungsjahr einen Mindestlohn von 649,00 € monatlich erhalten.

Im zweiten Ausbildungsjahr beträgt der Mindestlohn für Azubis plus 18 Prozent, im dritten Jahr sind es plus 35 Prozent und im vierten Jahr 40 Prozent mehr als im ersten Jahr. Azubis, die ihre Ausbildung 2024 beginnen, bekommen damit im zweiten Jahr mindestens 766 €, im dritten Ausbildungsjahr 876 € und im vierten Jahr 909 €.

Die im BBiG enthaltenen Vorschriften gelten jedoch nur für Arbeitgeber die keinem Tarifvertrag unterliegen. Die Tarifgebundenen Arbeitgeber müssen selbstverständlich die tariflichen Ausbildungsvergütungen entrichten.

Bildquelle: 257803706-MQ-Illustrations

Vorsicht Falle | Betrügerische E-Mails mit ELSTER-Bezug (FinMin)

Aktuell versuchen Betrüger per E-Mail im Namen des Online-Finanzamts ELSTER oder über gefälschte Webseiten mit ELSTER-Bezug an persönliche Informationen zu gelangen. Hierauf macht das Thüringer Finanzministerium aufmerksam.

Hierzu führt das Thüringer Finanzministerium weiter aus:

  • Die Betrüger versenden E-Mails mit Titeln wie “Letztmalige Aufforderung – Steuerrestbetrag aus dem Jahre 2022” im Namen von ELSTER oder lotsen Bürgerinnen und Bürger auf gefälschte Webseiten mit ELSTER-Bezug.
  • Den Empfängern der E-Mail wird erklärt, dass für das Jahr 2022 noch eine Steuererstattung auf sie wartet. Es wird darum gebeten, ein Formular unter einer falschen ELSTER-Webseite auszufüllen, damit der Betrag ausgezahlt werden kann. Der Link zu der Webseite steht nicht in Zusammenhang mit der wahren ELSTER-Plattform.
  • Auf diese Weise versuchen die Betrüger per E-Mail an Anmeldedaten sowie Konto- und/oder Kreditkarteninformationen von Steuerzahlern zu gelangen und / oder Viren bzw. Trojaner auf dem Computer zu installieren.
  • Die Finanzverwaltung und ELSTER warnen ausdrücklich davor, auf diese Betrugs-E-Mails zu reagieren bzw. die Links in den E-Mails zu öffnen. Die Steuerverwaltung versendet Steuerdaten oder Rechnungen nie in Form eines E-Mail-Anhangs und fordert auch keine persönlichen Informationen per E-Mail an.

Was ist eigentlich eine Teampraxis?

Seit einiger Zeit taucht immer wieder mal der Begriff „Teampraxis“ auf. Zu aller erst ist festzustellen, dass dieser Begriff im Sozialgesetzbuch nicht enthalten ist und es derzeit auch keine klare Definition für die Mindestanforderungen einer Teampraxis gibt. Interessanterweise beschäftigen sich mit dieser Thematik aber sowohl die Hausärzteverbände als auch jetzt das Bayerische Gesundheitsministerium. Letzteres hat in der Richtlinie über die Förderung kommunalen Engagements für die ärztliche Versorgung vor Ort (Kommunalförderrichtlinie – KoFöR) explizit die Teampraxisstruktur als förderfähig erwähnt. In diesem Zusammenhang verweisen wir auf eine Pressemitteilung des Gesundheitsministeriums. www.bayern.de/gerlach-treibt-zukunftsorientierte-weiterentwicklung-der-medizinischen-versorgung-voran-bayerisches-gesundheitsministerium-frdert-projekt-zur-hausrztlichen-teampraxis-der-zukunft-mit-run/.

Eine etwas fundiertere Beschreibung der Zielrichtung der „Teampraxis“ haben wir in einer Veröffentlichung des Hausärzteverbandes Baden-Württemberg gefunden, nachzulesen unter www.hausarzt-bw.de/News/2023_03_24_haet_panel2~n-5292. In der Umsetzung dürfte es sich also bei einer Teampraxis um eine Vernetzung örtlicher vorhandener „Player“ der medizinischen Versorgung handeln, ohne dass gleich ein offizielles Praxisnetz, ein Medizinisches Versorgungszentrum oder Praxiszentrumsähnliche Strukturen gegeben sein müssen. Bis zu erwartende Vorgaben festgelegt werden, kann man also bei einer Teampraxis von einer niederschwelligeren Kooperation von Gesundheitsberufen vor Ort sprechen. So kann man sich die Einbindung einer Gemeindeschwester, die Zusammenarbeit mit Pflegediensten usw. darunter vorstellen und dabei könnten aus dem Fördertopf des Gesundheitsministeriums wohl auch Gelder über die Kommunen fließen.