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Vorhaltepauschale bleibt mit geänderten Bedingungen bestehen

1. Kontext und gesetzlicher Rahmen

Mit dem Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) wurde beschlossen, die hausärztliche Versorgung zu stabilisieren, unter anderem durch eine neue Regelung der Vorhaltepauschale, die bisher als GOP 03040 bekannt ist.

Ziel ist, hausärztliche Leistungen stärker zu honorieren, die Entbudgetierung hausärztlicher Versorgung durchzusetzen und sicherzustellen, dass Praxen, die aktiv Grundversorgungsaufgaben übernehmen, angemessen vergütet werden.

2. Was bleibt, was ändert sich

Was bleibt bestehen:

  • Die GOP 03040 bleibt als Vorhaltepauschale für Hausärztinnen und Hausärzte grundsätzlich erhalten. Sie wird weiter gezahlt als Zusatz zur Versichertenpauschale, wenn im Quartal keine fachärztlichen Leistungen beim Patienten abgerechnet wurden.
  • Auch weiterhin gibt es Zuschläge bzw. Abschläge abhängig von der Praxisgröße, gemessen an der Zahl der Behandlungsfälle pro Hausarzt im Quartal: Mehr Fälle → Zuschlag; weniger Fälle → Abschlag.

Was sich ändert ab 1. Januar 2026:

  • Punktebewertung: Die GOP 03040 wird in der Grundbewertung von 138 Punkte auf 128 Punkte abgesenkt.
  • Zuschlagsmodell:
    • Praxen, die mindestens zwei von zehn vorgegebenen Kriterien erfüllen, erhalten einen Zuschlag von + 10 Punkten.
    • Praxen, die acht oder mehr Kriterien erfüllen, erhalten einen Zuschlag von + 30 Punkten.
  • Abschlag wegen geringer Impfleistung: Neu ist eine Regel, nach der Praxen, die weniger als zehn Schutzimpfungen pro Quartal durchführen, einen Abschlag von 40 % auf die Vorhaltepauschale erhalten, da Impfen zur hausärztlichen Grundversorgung gehört.
  • Praxisgröße bleibt relevant: Praxen mit mehr als 1.200 Behandlungsfällen je Hausarzt pro Quartal erhalten weiterhin einen etwas höheren Zuschlag. Praxen mit weniger als 400 Behandlungsfällen je Hausarzt im Quartal erhalten weiterhin einen Abschlag.

3. Die zehn Kriterien zur Zuschlagsfähigkeit

Damit Praxen die genannten Zusatzpunkte erhalten können, müssen bestimmte hausärztliche Grundversorgungsleistungen in definierten Häufigkeiten erbracht und abgerechnet werden. Hier eine Übersicht über wesentliche Kriterien (nicht abschließend):

KriteriumVorgabe/Häufigkeit*
Haus- und Pflegeheimbesuchemindestens 5 % der Behandlungsfälle.
Geriatrische / palliativmedizinische Versorgungmindestens 12 % der Fälle.
Kooperation mit Pflegeheim≥ 1 % der Fälle.
Schutzimpfungenin Quartal 1-3 mindestens 7 % der Fälle; im 4. Quartal mindestens 25 %.
Kleinchirurgie / Wundversorgung / postoperative Behandlungmindestens 3 % der Fälle.
Ultraschalldiagnostik (z. B. Abdomen oder Schilddrüse)mindestens 2 % der Fälle.
Hausärztliche Basisdiagnostik (z. B. Langzeit-Blutdruckmessung, Langzeit-EKG, Belastungs-EKG, Spirographie)mindestens 3 % der Fälle.
Videosprechstundemindestens 1 % der Fälle.
Zusammenarbeit / Teilnahme an Qualitätszirkeln oder Berufsausübungsgemeinschaft (BAG)Erfüllung durch Nachweis der Zusammenarbeit / BAG / QS-Zirkel.
Praxisöffnungszeiten betreffend Abend- / Freitagnachmittag / vor 8 Uhr oder nach 19 UhrPflicht, Sprechstunden mindestens 14-täglich an bestimmten Zeiten anzubieten.

*Die Prozentzahlen beziehen sich auf die Anzahl der Behandlungsfälle einer Praxis innerhalb eines Quartals. Beispiel: Bei 1.000 Fällen müssen z. B. mindestens 50 Haus-/Heim-Besuche abgerechnet sein, um das entsprechende Kriterium zu erfüllen.

4. Finanzierung und Entbudgetierung

  • Entbudgetierung: Seit Oktober 2025 werden Leistungen der allgemeinen hausärztlichen Versorgung (insbesondere Kapitel 3 des EBM) und hausärztliche Hausbesuche ohne Mengenbegrenzung vergütet. Das heißt: Diese Leistungen sind nicht mehr „gedeckelt“ durch Budgets, sondern werden in voller Höhe erstattet.
  • Honorartopf Hausarzt-MGV: Für die Entbudgetierung wird ein separater Honorarrahmen (Hausarzt-MGV) eingerichtet.

5. Potentielle Auswirkungen und Herausforderungen

Vorteile und Chancen

  • Anreize für Praxisleistungen, die zur Grundversorgung gehören, werden klarer und verbindlicher gemacht. Hausärztinnen und Hausärzte, die aktiv tätig sind (z. B. Impfungen, Basisdiagnostik, Hausbesuche), können Zusatzvergütungen erhalten.
  • Verbesserte Planbarkeit: Durch die Entbudgetierung wird eine bessere Vergütungssicherheit geschaffen.
  • Förderung der wohnortnahen Versorgung, da kleinere Praxen durch klare Kriterien und Zuschlag/Abschlag eventuell gezielt unterstützt oder zumindest motiviert werden, Grundversorgungsaufgaben zu übernehmen.

Risiken und offene Fragen

  • Belastung durch Kriterienerfüllung: Für manche Praxen, vor allem in strukturell benachteiligten oder ländlichen Regionen, kann die Erfüllung von acht oder mehr Kriterien schwierig sein. Personelle Ausstattung, Zeitressourcen, organisatorischer Aufwand etc. spielen eine große Rolle.
  • Abschlag bei zu wenigen Impfungen: Speziell Praxen mit niedriger Impfquote könnten stark benachteiligt werden. Es ist noch unklar, wie praktikabel die Messung und Rechtfertigung sein wird, insbesondere in Quartalen mit geringem Impfbedarf.
  • Praxisgröße und Fallzahlen: Der Abschlag bei weniger als 400 Fällen und Aufschlag über 1.200 Fällen pro Hausarzt bleiben bestehen, was kleinere Praxen strukturell benachteiligen kann. Gerade in dünner besiedelten Regionen sind Fallzahlen oft niedriger.
  • Finanzielle Neutralität vs. Umverteilung: Das Gesetz verlangt, dass die Gesamtvergütung budgetneutral bleibt — das bedeutet: Es darf keine zusätzlichen Ausgaben durch das System als Ganzes geben. In der Praxis wird es daher zu Umverteilungen kommen: Praxen, die viele Kriterien erfüllen, werden profitieren; andere könnten Einnahmeeinbußen erleben.
  • Umsetzung und Verwaltungsaufwand: Die KVen müssen die Kriterien operativ festlegen und prüfen; Praxen müssen dokumentieren und ggf. Prozesse anpassen. Auch die Praxissoftware, Abrechnungssysteme etc. sind zu berücksichtigen.

Fazit

Die Reform der Vorhaltepauschale GOP 03040 ab Januar 2026 ist eine bedeutende Anpassung im Rahmen der hausärztlichen Vergütung, insbesondere im Zuge der Entbudgetierung und der grundversorgenden Verpflichtungen.

Für Praxen, die bereits jetzt viele Grundversorgungsleistungen anbieten, bedeutet die neue Regelung überwiegend Chancen: sie können durch Erfüllung der Kriterien zusätzliche Vergütungszuschläge erhalten. Für andere Praxen können die Änderungen allerdings zu finanziellen Einbußen führen, wenn sie bestimmte Mindestleistungen nicht erbringen – insbesondere in Bezug auf Impfungen oder eine ausreichende Anzahl von „Pflege-/Hausbesuchen“ etc.

Langfristig wird entscheidend sein:

  • wie klar und praktikabel die Kriterien geregelt werden,
  • wie gerecht die Abschläge verteilt sind (insbesondere zwischen kleineren vs. größeren Praxen, ländlichen vs. urbanen Regionen),
  • wie die Umstellung begleitet wird (z. B. mit Übergangsfristen, Unterstützungsangeboten) und
  • wie stark diese Vergütungsänderungen tatsächlich Hausärzte motivieren, Grundversorgungs-Leistungen auszuweiten.